Zusammenfassung
zur Stellungnahme des NABU zur geplanten Agrargasanlage
von
Susanne Piwecki
Agrargasanlagen
gelten neben Windkraft und Photovoltaik als dritte Säule der regenerativen
Stromproduktion. Der NABU steht auf dem Standpunkt, dass gegen eine hofnahe
Biogasanlage nichts einzuwenden ist, solange sie mit Gülle und pflanzlichen
Abfallstoffen eines landwirtschaftlichen Betriebes gespeist
wird.
Die
hohen Förderungen durch das EEG (Erneuerbare Energien- Gesetz), als Subventionen
vom Steuerzahler finanziert, rufen allerdings immer mehr große
Investorengruppen auf den Plan, die immer größere Anlagen auf `die
grüne Wiese´ stellen und mit Pflanzen bestücken, die eigentlich der
Nahrungsmittelproduktion dienen sollten.
Grundsätzliche Probleme durch Agrargasanlagen:
-
Welternährung: Auf der Erde sind jede Sekunde 2 Menschen mehr zu
ernähren, während aber 0,2 Hektar Ackerfläche weniger zur Verfügung stehen!
Lebensmittelpreise
steigen, immer mehr Menschen auf der Welt leiden Hunger, bis 2050
werden Lebensmittel weltweit knapp, und dennoch werden
unverdrossen Flächen für den Anbau von Energiepflanzen
umgewandelt.
-
Förderung von NawaRO: Die durch die Politik forcierte
einseitige Förderung des Substrateinsatzes aus nachwachsenden Rohstoffen
(NawaRo) hat dazu geführt, dass sich z. B. die Bestückung der Anlagen mit
Abfällen aus der Nahrungsmittelproduktion (z. B. Kartoffelschalen) nicht lohnen,
da diese nicht als NawaRo gelten.
-
Biodiversität: Die
von JUWI geplante Anlage wird das Landschaftsbild in der Region nachhaltig
verändern, wie im Norden und Osten von Deutschland wird auch
hier Energiepflanzen zunehmend die Landschaft dominieren. Die Biodiversität
unserer Kulturlandschaft wird noch weiter abnehmen, Insekten, Vögel und
Kleinsäuger haben keinen Platz mehr auf den modernen
Agrarproduktionsflächen, in manchen Gegenden von Deutschland gibt es auf den
Feldern noch nicht einmal mehr Regenwürmer.
-
Bodenqualität: Die Bodenerosion wird zu-, die Bodenqualität wird
abnehmen. Guter Ackerboden und ein hoher Humusanteil sind aber keine unendlichen
Güter! Wir alle und auch die nachfolgenden Generationen müssen von unserem
Boden leben!
-
Veränderungen Landwirtschaft und Landschaft: Biogasanlagen
solcher Größe greifen unmittelbar in die Landschaft und die Landwirtschaft vor
Ort ein. Durch den zunehmenden Anbau von Energiepflanzen ist zu beobachten, dass
artenreiches Grünland entweder immer früher und häufiger gemäht wird, was zu
artenarmen Graswüsten führt oder gleich zu Ackerfläche für den Maisanbau
umgewandelt wird. Brachen gehen verloren und Fruchtfolgen werden durch
Monokulturen ersetzt. Die langfristigen Folgen für das Klima sind nicht
abzuschätzen. Zum Vergleich: Aus dem Boden
eines Maisfeldes entweicht 20 mal mehr klimaschädliches CO2 als aus
Grünland, d.h. ein Maisfeld emitiert in einem Jahr, was Grünland in 20 Jahren
emitiert.
-
Globale Folgen: Durch eine fehlgeleitete Agrarpolitik wird
Massentierhaltung in großen Tierfabriken (vom Steuerzahler) quersubventioniert.
Pachtland verteuert sich sprunghaft, kleinere landwirtschaftliche Betriebe
können bei dem Wettbewerb um die letzten Ackerflächen nicht mithalten,
Nutztierhaltung im bäuerlichen Sinn lohnt sich nicht mehr.
In
Megaställen, meist im Norden der Republik, werden Nutztiere zu Hunderttausenden
zusammengepfercht und in Rekordzeit mit Sojakraftfutter gemästet, was
überwiegend aus Südamerika importiert wird. Dort wird großflächig der
Regenwald abgeholzt, um meist genmanipulierten Billig- Soja anzubauen. Die mit
solchem Futter gemästeten Tiere landen hier wiederum auf den Tellern und
deren Gülle auf unseren Feldern.
Deutschland
nutzt bereits 2,5 Mio. Hektar Landfläche in Südamerika für die
Futtermittelherstellung, Tausende Kleinbauern verlieren dort ihr Land, die
Bevölkerung hungert. Und der hiesige Steuerzahler zahlt dafür. Insgesamt
importiert Deutschland bereits 30-40 % seiner Futtermittel aus oben genannten
Ländern, und dennoch werden hierzulande immer größere Flächen für den
Energiepflanzen- Anbau genutzt.
Für
jeden Hektar, der hier mit Energiepflanzen bestückt wird, muss anderswo ein
Hektar Ackerfläche geschaffen werden!
-
Gesamt- Ökobilanz: Zählt man all diese Aspekte zusammen, so haben
manche Agrargasanlagen eine schlechtere Gesamt- Ökobilanz als ein Kohlekraftwerk
und der Ansatz der `sauberen Energiegewinnung´ wird ad absurdum geführt.
Oberflächlich besehen beschönigt der deutsche Agrargasboom zwar unsere
heimische CO2- Bilanz, setzt aber in den Futterproduktionsländern riesige Mengen
an klimaschädlichen Gasen frei.
Bei
den sog. `Bio´kraftstoffen, für die ebenfalls große Flächen in Südamerika
genutzt werden, wurde das Problem bereits erkannt und die Politik versucht
langsam gegen zu steuern.
VOM PFERDEMIST ZUR
ZUCKERRÜBE - Die Verwandlung einer Agrargasanlage
Laut
Angaben der Betreibergesellschaft JUWI GmbH vom Juni 2012, sollte die am Hadamarer
Stock geplante
Großanlage zur Methangaserzeugung 1,5 MW elektrische Leistung aufweisen,
bei einer Fläche von 25- 30 m Breitet und 100- 110 m Länge. Die Firma
JUWI plant, finanziert und baut die Anlage und veräußert diese, nach
eigenen Angaben, anschließend an Investoren - eine Bürgerbeteiligung ist nicht
geplant.
Nach
damaligen Plänen sollten in der Anlage rund 30. 000 Tonnen Biomasse im Jahr
vergärt werden davon entfallen laut JUWI
-
ca.
16. 000 Tonnen auf
Mais
-
ca.
7.000 Tonnen auf Gras
-
ca.
9.000 Tonnen auf Roggen, Weizen oder Ganzpflanzensilage
(GPS)
-
und
ca. 5.000 Tonnen auf Gülle
Dafür
würden 600 Hektar Ackerfläche benötigt, 350 Hektar davon allein als
Maisanbaufläche.
Der
aktuelle Stand der Planungen, den JUWI
im Dezember 2013 bei einer gemeinsamen Sitzung von Magistrat und Ausschüssen
der Stadtverordnetenversammlung vorgestellt hat, sieht nun eine Vergrößerung der
Anlage von 1,5 auf 2 MW vor (das
entspricht 500 Kubikmeter Gas anstatt 350 Kubikmeter Gas am
Tag).
Dafür
sollen nun rund 45. 000 Tonnen Biomasse
im Jahr vergärt werden. Laut JUWI
-
22.
000 Tonnen Zuckerrüben
-
15.
000 Tonnen Mais
-
5.
000 Tonnen Hühnermist
-
3.
000 Tonnen Gras
-
500
Tonnen Gülle
In
der örtlichen Presse wurde der Anschein erweckt, dass das neue Konzept nun
`Zuckerrüben statt Mais´ vorsehe. Das sich die Menge an Mais
kaum verändert hat, die Anlage nun das 1,5- fache an Biomasse benötigt und die
Verwendung von zusätzlich 22. 000 Tonnen Zuckerrüben einen riesigen
Flächenverbrauch nach sich zieht, wurde nicht
thematisiert.
Für
oben beschriebene Substratmengen werden rund 800 Hektar beste Ackerfläche im Jahr
benötigt - und davon immer noch 330
Hektar für Mais! (Ertrag pro Hektar/ Jahr: 46 Tonnen Mais, 60 Tonnen Rüben,
36 Tonnen Grassilage),
Kann
es sein, dass die Änderung des Konzeptes nur zur Akzeptanz der Anlage beitragen
soll?
Denn
steht eine solche Anlage erst einmal, so ist der Betreiber nicht verpflichtet,
gemachte Zusagen in Bezug auf den Substrateinsatz einzuhalten. Er kann die
Anlage bestücken, mit was er möchte und was sich am meisten rentiert. Und z. Zt.
ist das immer noch Mais. Schließlich
werden 1,41 Tonnen Zuckerrübensilage benötigt, um die Gasenergie von 1 Tonne
Maissilage zu ersetzen. Im Fermenter sind Zuckerrüben nach 15 Tagen nahezu
abgebaut, Maissilage benötigt das 4- fache an Zeit.
Anlagen
müssen speziell auf den Einsatz von Zuckerrüben ausgelegt sein, um die
vorteilhaften Substrateigenschaften überhaupt nutzen zu können, so wäre z. B.
der Fermenter kleiner ausgelegt. Ist eine Anlage aber auf den Einsatz von Mais,
Getreide oder Gras ausgelegt, so gilt eine Zugabe von lediglich 10- 30 %
Zuckerrüben als problemlos.
Aber
wie passt hier das von JUWI angepeilte Verhältnis 22. 000 Tonnen Zuckerrüben zu
15. 000 Tonnen Mais?
-
Gärreste: Die Gärreste der geplanten Hadamarer Anlage müssen
vom Landwirt wieder zurück genommen werden, was bedeutet, dass jede LKW-
Ladung zweimal hin- und her gefahren wird. Das Gärsubstrat verliert bei der
Vergasung nur etwa 10 % seiner Masse, so werden rund 90 % der Ausgangsmasse als
Düngung wieder auf die Felder aufgebracht. Aufgrund des Gehaltes an Stickstoff
benötigt man 1,3 Hektar Fläche für die Ausbringung des Gärsubstrates,
welches 1 Hektar Silomais abwirft.
-
Keimbelastung: Eine in Deutschland wenig berücksichtigte, und
auch von JUWI verschwiegene, Tatsache ist, dass Gärreste häufig stark mit Keimen
belastet sind, was mit der Temperatur in den Silos zusammen hängt.
In Österreich wurden deshalb bereits strenge Gesetze für die Nutzung
von Gärresten als Düngemittel erlassen, sie müssen zudem regelmäßig auf
Krankheitserreger, darunter EHEC, untersucht werden. In Deutschland ist nichts
derartiges geplant.
-
Verkehrsbelastung: Laut früherem Konzept von JUWI sieht das
Verkehrskonzept 3 Ernteperioden vor, Gülle wird jedoch ganzjährig (ausser
während der normalen Winterpause) gefahren. Angegeben wurden damals 390 Fahrten
an 6 Tagen in der Woche, wobei nicht klar definiert wurde, ob damit nur die
Anlieferfahrten gemeint sind oder auch die Abholung der Gülle. Die Entfernung
der Anbauflächen sollen in einem Umkreis von 15 KM um Hadamar herum liegen, ein
Muss ist das allerdings nicht. Geht man von weiteren geplanten Anlagen in der
Umgebung aus, so ist abzusehen, dass sich dieser Radius aufgrund des
Konkurrenzdruckes nicht einhalten lässt.
Berücksichtigt
man, dass die Substratmasse beim neuen Konzept auf 45. 000 Tonnen erhöht werden
soll, so ergeben sich 480 Fahrten, eine Zunahme um rund 23 %.
Zu
CO2 - Ausstoß bei An- und Ablieferung und der Produktion von Düngemitteln
und Pestiziden, dem verbrauchtem Treibstoff bei der Ackerbewirtschaftung und
Silierung, Abgas- und Lärmbelastung und Abnutzung der Strassen (finanziert durch
Steuergelder) gibt es keine Berechnungen, diese fließen nicht in eine
Gesamtbilanz ein. Ebenso wenig werden die zu erwartenden
Geruchsbelästigungen thematisiert, die von Silos und Gärresten
ausgehen.
-
Wertschöpfung, Steuern und Arbeitsplätze: Es
gibt durchschnittlich 3 direkt geschaffene Arbeitsplätze pro deutscher
Agrargasanlage. Zulieferer von Dünge- und Pflanzenschutzmittel und Saatgut sind
überwiegend sog. `Global Player´, die nicht zur regionalen Wertschöpfung
beitragen.
Gewerbesteuer
erhält die Gemeinde erst nach Abschreibung der Anlage (u.U. 10- 12 Jahre) und
dann auch nur, wenn Gewinn erwirtschaftet wird. Allerdings arbeiten nur rund 30
% der deutschen Biogasanlagen wirtschaftlich rentabel, was bedeutet, dass noch
nicht einmal ein Drittel der Betriebe diese Abgabe zahlt. Zudem ist für die
Berechnung der Gewerbesteuer u. a. auch ausschlaggebend, wo die
Geschäftsführung ihren Sitz hat.
JUWIs
Aussage nach `könne die Stadt über 20 Jahre hinweg mit 1,3 Mio. Gewerbesteuer
rechnen´. Das sind im Jahr lediglich vernachlässigbare 65. 000
Euro.
Die
Berechnung von JUWI über 2,8 Mio. Euro jährliche Wertschöpfung in der
Region, ist weder offen gelegt, noch transparent oder gar
verbindlich.
Wem
nützt die geplante Anlage eigentlich?
-
Zunächst
einmal JUWI, einem weltweit agierenden Unternehmen
-
Herr
Hubert Gläser aus Hadamar, einer der Initiatoren, auf dessen Land die Anlage
gebaut werden soll
-
Herr
Mink aus Hintermeilingen, einer der Initiatoren, der, laut eigenen Angaben, die
Betriebsleitung übernehmen möchte
-
den
Betreibern der Hühnerhöfe, die den Hühnermist
liefern
-
einigen
wenigen Landwirten, die die Substrate liefern
-
einigen
Fuhrunternehmen und Anlagenbauern
Und
wer verliert?
-
Neben
dem Verlust an Biodiversität bei Flora und Fauna verliert der Boden an
Qualität, Bodenerosion wird durch Maisanbau nachweislich
gefördert
-
Gewässer
und Grundwasser weisen eine höhere Belastung mit Nitraten auf
-
Tourismuszahlen
können in einer `verarmten´ Landschaft zurückgehen
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Verkehrswerte von Immobilien können aufgrund von Geruchs- und
Verkehrsbelastung und Verringerung der Lebensqualität
abnehmen
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Die
geplante Anlage nördlich von Hadamar würde verkehrsgünstig an der B54 liegen.
Doch entgegen der Aussage von JUWI muss der Schwerlastverkehr, um auf diese
Strasse zu gelangen, sehr wohl zunächst durch zahlreiche Gemeinden fließen. Dort
wird die Belastung von Anwohnern und Strassenbelag zunehmen
-
Der
Erfahrung aus anderen Landesteilen nach zu urteilen, wird die Biogasanlage den
Wettbewerb um Ackerflächen anheizen und die Preise, z. B. auch für Heu und
Einstreu, in die Höhe treiben. Die
benötigten Hektar Ackerflächen liegen ja z. Zt. nicht irgendwo brach und können
beliebig für die Agrargasanlage aktiviert werden, sondern müssen anderweitig
abgezogen werden. Einen
Anstieg der Pachtpreise werden vor allen Dingen Milchviehbetriebe und
Pferdehalter rund um Hadamar zu spüren bekommen.