Stellungnahme des NABU Hadamar zum geplanten Radweg im Naturschutzgebiet `Kalksteinbruch´ Hadamar

Die Stadt Hadamar diskutiert die streckenweise Umverlegung des bestehenden Radfernweges R8, weil dieser teilweise an der stark befahrenen Mainzer Landstraße entlang führt. Die, besonders von Bürgermeister Ruoff propagierte Idee ist, den Radweg am Rande des Naturschutzgebietes `landschaftlich schön gelegen´ am Elbbachufer entlang zu führen, zudem ist eine gut 100m lange Brücke mitten durch das Naturschutzgebiet geplant. Das empfindliche, nur ca. 9 Hektar große Biotop wurde bei ersten Begehungen mit Kommunalpolitiken als `Industriebrache´ bezeichnet. Der ehemalige Kalksteinbruch und die angrenzenden Teile der Elbbachaue wurden bereits im Jahr 1986 zum Naturschutzgebiet erklärt, in dessen Verordnung unter §3 explizit aufgeführt ist, dass `Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des Naturschutzgebietes oder seiner Bestandteile oder zu einer nachhaltigen Störung führen können, verboten sind´. Dazu zählen u. a. die Herstellung, Erweiterung, Änderung oder Beseitigung baulicher Anlagen, die Anbringung oder Aufstellung von Bild- und Schrifttafeln, Gewässer zu schaffen, zu verändern oder zu beseitigen, Wasserläufe, Wasserflächen oder Tümpel einschl. deren Ufer sowie den Zu- und Ablauf des Wassers zu verändern, Pflanzen einschl. der Bäume und Sträucher zu beschädigen oder zu entfernen, Hunde frei laufen zu lassen und das Naturschutzgebiet zu betreten. Gegen einige Punkte dieser Verordnung wurde von den Gemeindevertretern bereits verstoßen (Betreten des Gebietes und Beschädigung von Pflanzen, Sträuchern und Bäumen), durch den Bau eines Radweges oder gar einer Brücke in diesem empfindlichen ökologischen Bereich würde diese Verordnung weiter massiv unterhöhlt. Nach Ende des Kalkabbaus wurde die Ausweisung zum NSG von den städtischen Vertretern mit forciert, der besondere Schutzstatus danach immer verantwortungsvoll unterstützt und konstruktiv mit den Naturschutzverbänden zusammen gearbeitet. Erstaunlich, dass dieses Naturbiotop den jetzigen Mandatsträgern plötzlich nicht mehr erhaltenswert erscheint und der, laut Gesetz festgelegte Schutz bereits jetzt, bei den Planungen des neuen Radweges, vollkommen ignoriert wird. Und das alles, wo das Gebiet doch noch vor einigen Jahren, bei einer Begehung mit dem Darmstädter Professor H. Schmitt, einvernehmlich als besonders schützenswert hervorgehoben wurde. Die ökologische Wertigkeit des Gebietes ergibt sich aus den reich strukturierten vielfältigen Lebensraumtypen (Ufer, Auenbereich, Laubwald, Heckenbereiche, blütenreiche Säume und Lichtungen), die so im Siedlungsraum, in der Agrarlandschaft und im Wirtschaftswald heute kaum noch zu finden sind. Der, teilweise nur 200 Meter breite, unter Naturschutz stehende Streifen entlang des Elbbachufers, beherbergt u. a. zahlreiche Insekten (Falter, Heuschrecken, Libellen). Aufgrund der großen Vielfalt an Laubgehölzen finden sich viele Arten von Gehölz bewohnenden Käfern, besonders bemerkenswert ist der Artenreichtum der Totholzkäfer, von denen besonders viele auf der `Roten Liste´ zu finden sind, da unsere Landschaften immer ausgeräumter werden. Das NSG `Kalksteinbruch´ kann bzgl. der Totholzkäfer als überregional bedeutendes Schutzgebiet bezeichnet werden. Insgesamt finden sich dort 214 verschiedene Käferarten, das Gebiet beheimatet 22 Insektenarten der `Roten Listen´ (Bestandserfassung 2010- 2012, Dr. Roland Kunz, Dipl. Biologe). Selten gewordene und störanfällige Vogelarten wie Eisvogel, Gebirgsstelze und Wasseramsel brüten im NSG. Das kleine Gebiet konnte sich nur so gut entwickeln, weil es weitestgehend vor menschlichen Störungen verschont blieb. Schon beim Bau des Radweges käme es zu massiven Eingriffen und Störungen der Flora und Fauna. Durch die Bauarbeiten der Brücke (geplant ist kein kleines Fahrrad`brückchen´ sondern, aufgrund der zu überbrückenden Höhe und des zu erwartenden Hochwassers, ein hohes und über 100 m langes Bauwerk) mit schwerem Gerät würde ein Teil der geschützten Elbbachaue unwiederbringlich zerstört, zahlreiche alte Bäume müssten gefällt werden. Der fertige Radweg würde nicht nur, wie von den Verantwortlichen in der Presse dargestellt, von Radfahrer sondern natürlich auch Spaziergängern genutzt werden. Störungen blieben nicht auf den Weg beschränkt, sondern wirkten sich – auf beiden Seiten - bis zu 100 Meter in das (lediglich 200 m breite) NSG hinein aus. Erfahrungsgemäß würden Hundehalter ihre Hunde frei laufen und im Elbbach schwimmen lassen. Müll würde neben dem Weg und im Elbbach landen. Auch durch die Wegesicherungspflicht fände ein ständiger Eingriff in die Flora des NSG statt. Es bestünde ferner Räumpflicht im Winter, die dafür anfallenden Kosten wurden bisher weder thematisiert noch im bereits veröffentlichten Haushalt 2013 berücksichtigt. Bei einigen Landwirten stößt die von Bürgermeister Ruoff geplante Wegestrecke ebenfalls auf Widerstand, müssten dafür doch Wiesen und Grasland verbreitert und befestigt werden. Es ist dem NABU Hadamar nicht daran gelegen, einen Radweg zu verhindern. Der geäusserte Vorwurf, dass hier der Naturschutz vor das Wohl der Bürger gestellt werde, ist dahingehend nicht richtig, da sich die Mitglieder des NABU für den Erhalt der Natur, auch und gerade für die Bürger und die nachfolgenden Generationen einsetzen. Allerorten verschwindet minütlich und unwiederbringlich ein großer Teil unserer heimischen Pflanzen- und Tierwelt, ohne die unsere Zukunft mehr als fragwürdig ist. Alle Bürger sollten stolz auf die letzten Natur- Fragmente in unserer Mitte sein und alles daran setzen, diese für unsere Nachkommen zu erhalten. Da eine Fortbewegung per Rad vom NABU ausdrücklich befürwortet und unterstützt wird, wurde von den Mitgliedern ein konstruktiver Alternativvorschlag zum Verlauf des Weges vorbei am NSG erarbeitet. Dieser führt, abseits der stark befahrenen Straße, über- bereits bestehende - Teilstrecken des R8, über eine - bereits bestehende - Brücke, die nur wenige Hundert Meter von der neu geplanten über den Elbbach führt, und weiter über eine - bereits als Wanderweg ausgewiesene - Wegstrecke, die nur noch zum Radweg ausgebaut werden müsste. Stein des Anstoßes von Seiten des Bürgermeisters ist ein steiler Anstieg bzw. Gefälle, z. Zt. ein Fußweg vom Bahnübergang hinauf zum Judenfriedhof. Dieser könnte, laut Vorschlag des NABU und einiger politischer Mandatsträger, durch Gitter, Kurven und Poller baulich so verändert werden, dass Radfahrer absteigen müssten und die Gefahrenstelle somit entschärft würde. Allerdings würde in diesem Falle die staatliche Förderung, die das Land Hessen für den Radwegebau bereitstellt (die ja letztendlich von jedem Bürger zu zahlen ist) geringer ausfallen, da die dafür vorgeschriebene maximale Steigung 6% übersteigt. Selbst bei geringerer Förderung wäre die vom NABU vorgeschlagene Strecke jedoch letztendlich wesentlich günstiger, da bestehende Wege lediglich ausgebaut werden müssten und die neue Brücke komplett entfallen würde. Trotz aller plausiblen Gegenargumente ist die Wegeführung durch das NSG mit Brückenbau bereits mit 475 000 Euro (Steuergeld) im städtischen Haushalt 2013 veranschlagt. Selbst bei voller Förderung käme auf die Hadamarer Bürger eine finanzielle Belastung von 120 000 bis 160 000 Euro zu, und das bei einem Schuldenstand der Stadt von 25 Millionen Euro. Das Argument, dass die Gefällstrecke am Judenfriedhof zu gefährlich sei, hält der NABU grundsätzlich für vorgeschoben, da der seit Jahren bereits bestehende Radweg am Ortsausgang Siegener Straße ein ähnliches Gefälle aufweist und das bisher niemanden gestört hat. Zudem führt dieser ebenfalls direkt an der stark befahrenen Straße entlang. Wollte man nun auch dieses Teilstück ersetzen, was wohl die weiteren Planungsschritte wären, so müsste der Weg am Elbbachufer entlang durch ein Nadelöhr zwischen Hadamar und Niederzeuzheim führen. Hier reicht allerdings der zur Verfügung stehende Platz für einen Radweg mit einer, gesetzlich vorgeschriebenen, Breite von 2,5 Metern nicht aus. Die nächsten Probleme gäbe es am Elbbachufer in Niederzeuzheim, wo der Bau aufgrund der dortigen Grundstücksbesitzverhältnisse nahezu ausgeschlossen wäre. Im Verlauf des Elbbachs müssten also wohl noch mehrere Brücken gebaut (und bezahlt) werden. Dieses wurde bisher von seitens der Politik nicht thematisiert. Zudem träfe der Radweg dort im Tal auf ein weiteres NSG. Auch wie und wo dort dann eine Anbindung des Radweges weiter (steil bergauf) in Richtung Oberzeuzheim stattfinden sollte, wo er an den dort bestehenden R8 anschließen müsste (der im seinem Verlauf übrigens die im Westerwald nun mal typischen Steigungen und Gefälle aufweist) ist bisher kein (finanzielles) Thema. Und zu guter Letzt: Denkbar wäre für den NABU auch, die z. Zt. bestehende Streckenführung des Radweges im Bereich von Niederhadamar zur Kernstadt Hadamar beizubehalten. Da sich die Mainzer Landstraße in Niederhadamar in überaus desolatem Zustand befindet und sicherlich in absehbarer Zeit umfassend saniert werden muss, könnte, in Verbindung mit einem neuen Verkehrskonzept, dort ein sicherer und attraktiver Radweg entstehen, der an Eisdielen, Bäckereien und Speiselokalen vorbei führt und überdies von, aus Richtung Limburg kommenden Schülern der Gesamtschule und Glasfachschule genutzt werden könnte.